Heimische Orchideen

Auf Augenhöhe mit den Juwelen der Heide


Seit 2012 bin ich jedes Jahr von etwa März bis September auf "meiner" Heide unterwegs. Jede Woche Sonntag Vormittag packe ich die Ausrüstung und mache mich auf den Weg. Jeden Sonntag erwarten mich neue Dinge. Was blüht auf, was verschwand? Das ist es was mich neben der Schönheit des Gebietes hintreibt. Ohne das ganze wissenschaftlich zu betreiben, dafür reicht 1x die Woche nicht aus, so kann ich doch vergleiche ziehen wie die Jahre sich unterscheiden, dank kleiner Notizen zu jedem Tag.

Lasst mich Euch virtuell mitnehmen in das Habitat der Orchideen, zwischen Enzian, Küchenschelle und Mehlprimel.

Zwischen Feuchtwiese und Magerrasen

Der Lebensraum ist vielseitig auch wenn es auf den Ersten Blick nicht so scheinen mag.
Während die Saisonal oft überflutete Feuchtwiese etwas lebensfeindlich aussieht so wachsen im Sommer doch unzählige Sumpf-Stendelwurze, Epipactis palustris, hier. Auch die Mehlprimel, Primula farinosa, findet man hier am stärksten vertreten.
Der Magerrasen hier ist in seinem Frühlingskleid. Bald durchstechen frische Triebe das alte Laub des Grases und er ist nicht wieder zu erkennen.

 

 


März


Im März beginnt alles. Wenn der Schnee geschmolzen ist so sind die winzigen Heidepflanzen, Erica carnea, die ersten mit Ihren Blüten. Groß und ausladend werden sie hier nicht. Beweidung und Mäharbeiten unterbinden das. Umso edler wirkt jeder noch so kleine Trieb. Die nächsten im Bunde sind ein paar sehr wenige Crocus vernus  und noch weniger C.   flavus.
An wenigen Stellen  findet man den duftenden Seidelbast, Daphne mezereum. Abschließend kann man auch äußerst wenige Märzenbecher, Leucojum vernum, finden.
Je nach Wetter im Frühling kann man auch gegen Ende März die ersten Küchenschellen, Pulsatilla vulgaris, und Schlüsselblumen, Primula veris, fotografieren.


April


Nicht nur wir freuen uns über die stärker werdende Sonne. Auch die heimischen Reptilien, hier Lacerta agilis, treibt es auf die Sonnenbank. Und auch die Landschaft verändert sich. Wo vor wenigen Wochen noch Grau und Brauntöne dominierten strahlt nun ein Feld voller Schlüsselblumen, Primula veris. Selbige strecken mittlerweile ihre Köpfe immer höher. Auch die Gehölze wandeln ihr Aussehen. Die ersten Fingerkräuter, hier Potentilla neumanniana, blühen und weiter Außerhalb auf noch kargerem Boden findet man den Huflattich, Tussilago farfara, welcher eine wichtige Nahrungsquelle darstellt. Die Küchenschellen sind teilweise noch weit geöffnet wärend gegen Ende des Monats auch schon erste Samenstände sichtbar werden. Oft mitte April schon lassen sich auch die ersten Clusius Enziane, Gentiana clusii, finden. Auch Veilchen, Viola spp., sind überall verstreut.

Bei warmen Wetter sind auch endlich die ersten Orchideen wach. Das kleine Knabenkraut, Orchis morio, ist der erste Vertreter.


Mai


Im Mai überschlägt sich dann alles. Die Heideröschen, Daphne cneorum, welche im April schon knospig waren sind spätestens jetzt in voller Blüte. Auch die Orchideen starten durch. Die ersten direkt im Heidegebiet, das Kleine Knabenkraut stammt nämlich von einer Nebenfläche ca 1.5km Fußmarsch weiter, sind der Fliegenragwurz, Ophrys insectifera, gefolgt vom Helm-Knabenkraut, Orchis militaris, sowie dem unscheinbarem Zweiblatt, Listera ovata, mit seinen grünen Blüten, gefolgt vom Hummelragwurz, Ophrys holoserica und dem Brand-Knabenkraut, Anacamptis (Orchis) ustulata.

Eine einzigartige Rarität im Gebiet ist ein Hybrid aus Ophrys holoserica x insectifera, genannt O. x devenensis. 
Aber auch andere Schönheiten sind dazwischen zu finden. So zum Beispiel ein kleiner, leider durch vernachlässigte Pflegearbeiten auf der Feuchtwiese immer weiter schrumpfender, Bestand von Pinguicula vulgaris, dem gemeinen Fettkraut, einer Fleischfressenden Pflanze. Ob ich dieses Jahr (2018)Überhaupt noch Exemplare finde bleibt offen. (Update Mai 2018, der Bestand scheint ausgestorben zu sein) Wesendlich mehr, wenn auch nur auf einen einzigen 1.5m Radius beschränkten Bereich, sind die Salomonssiegel, Polygonatum odoratum. Zahlreich und weiter verbreitet sind hingegen die Mehlprimeln, Primula farinosa und Phyteuma orbiculare, die Kugelige Teufelskralle. Auch der Zwergbuchs, oder Buchs-Kreuzblume, Polygala chamaebuxus, und die Kugelblumen, Globularia elongata, G. cordifolia, sind mit wachsamen Auge zu finden.


Juni


Auch im Juni weiß man garnicht wo man zuerst hinsehen soll. Blumenwiesen soweit das Auge reicht. Die meisten erfreuen sich an den Farben, ich genieße die Diversität. Ob Pflanzen oder Tiere, es springt einen nur so an. Überall summt und kreucht es. Wanzen, Falter, Schmetterlinge, Käfer und vieles mehr.
Die Salomonssiegel sind im Juni schließlich am Blüten öffnen und auch Hummelragwurzen sind mit mittlerweile beachtlichen Blütenständen im hohen Gras zu finden. Dazwischen in Rot-Braun-Gelb Tönen findet man Sommerwurzen, Orobanche spp., welche mit ihrem Aussehen viele meinen lassen es sind Orchideen, tatsächlich sind es Schmarotzerpflanzen welche sich in diesem Fall auf Hornkleewurzeln anheften und von ihrer Photosynthese profitieren. Sie selbst sind dazu nicht in der Lage.
Zwischen Sonnenröschen, Helanthium nummularium, Wiesensalbei, Salvia pratensis, Wiesen-Bocksbart, Tragopogon pratensis, Skabiosen-Flockenblumen, Centaurea scabiosa, Schafgarbe, Alchemilla spp. und Wegerich Blüten, Plantago spp. finden sich weitere Orchideen wie der Mückenhändelwurz, Gymnadenia conopsea und das Weiße Waldvögelein, Plathanthera bifolia.
Auf der Feuchtwiese und etwas fetteren Wiesen mit mehr Humus sind jetzt auch Sumpf-Stendelwurz, Epipactis palustris, Sumpfgladiole, Gladiolus palustris und an einem kleinen Tümpel auch die gelben Sumpf-Schwertlilien, Iris pseudoacorus zu finden. Auch der Blutweiderich blüht.


Juli


Weiterhin eine große Vielfalt an Flora und Fauna.
Im Juli blühen hier die Ästigen Graßlilien, Anthericum ramosum, wo man nur hinschaut und soweit das Auge reicht. Die Sumpfgladiolen sind abgeblüht und setzen Samen an, die feinen Lauch-Pflanzen, Allium spp., stehen in den Startlöchern und fangen das blühen an. An schattigen Gehölzrändern kann man die Breitblättrige Stendelwurz, Epipactis helleborine, entdecken, eine weitere Orchidee und die hier zuletzt aufblühende Art. Auch Ihre Verwandte, die Sumpf-Stendelwurz, ist noch lange am blühen. Zeitgleich sind die ersten Pflanzen aber schon fleißig mit der Samenbildung beschäftigt. Eine weitere kleine Rarität im Gebiet ist die Türkenbund-Lilie, Lilium martagon, Seit 6 Jahren ist es ein Einzelexemplar. Vermehrung durch Samen scheint nicht möglich und eine Teilung der Zwiebel bzw. Tochterzwiebeln scheinen kaum gebildet zu werden. Am Standort des Kleinen Knabenkrautes gibt es nochmal eine Handvoll Exemplare. Weiterhin ist es die Zeit für Glockenblumen, Campanula spp. wie z.B. C. rotundiflora. Auch der Kreuzenzian, Gentiana cruciata, beginnt erste Blüten zu öffnen. Er ist sehr weit verbreitet, besonders kräftig auf den Außen angrenzenden Flächen. Allgemein sind hier durch etwas mehr Nährstoffe im Boden die Pflanzen Stärker, auch Helm-Knabenkräuter sind hier teilweise 3x so Groß wie im inneren des Gebietes. Die Außenfläche wurde künstlich renaturiert.  Zu guter letzt, zwischen Scabiosen, Scabiosa spp., Disteln, z.B. Cirisum tuberosum, Flockenblumen, z.B. Centaurea jacea und blühenden Gräßern, beginnen ende Juli die ersten Silberdisteln, Carlina acaulis, dicke Knospen zu bilden.


August


Die Landschaft ändert sich. Vor wenigen Wochen noch war alles silbern, nun sind die Graßlilien größtenteils verblüht und bilden Samen. Orchideen sind bis auf ein paar verspätete Sumpf-Stendelwurz und letzte Breitblättrige Stendelwurz nichtmehr zu finden, aber dafür zahlreiche Samenstände von z.B. dem Müchenhändelwurz. Weiterhin blühen Lauch, Scabiosen, Flockenblumen und natürlich die Silberdisteln. Ebenfalls spät in der Saison blühen Sumpf-Herzblatt, Parnassia palustris , und der Deutsche Fransenenzian, Gentianella germanica.
Ein weiteres Highlight neben den Silberdisteln sind zu dieser Zeit die zahlreichen Wespenspinnen
Argiope bruennichi, echte Radnetzspinnen. 
Charakteristisch ist das Zickzackgebilde nahe der Mitte des Netzes. Es soll wohl der Stabilität dienen. Allgemein sind die Netze dieser Art im hohen Gras eher Niedrig angebracht. Man braucht also keine Sorge haben dass einem beim spazieren auf einmal so eine große Spinne, bei Weibchen durchaus 4cm Spannweite, im Gesicht hängt. Die niedrigen Netze sorgen dafür dass die Hauptbeute der Spinnen , nämlich Grashüpfer, spielend leicht gefangen werden können. Einmal im Netz ist der Bewohner sofort zur Stelle und wickelt die Beute ein.


September


Abschließend, neben wenigen Wiesenblumen, beenden der Deutsche Fransenenzian und die Herbstzeitlosen, Colchicum autumnale,
mit zahlreichen, sich auf den kommenden Winter vorbereitenden Insekten meine Saison auf der Heide.

Es ist schwer den Herbst hinzunehmen, wenn man doch bis zu 7 Monate auf ein und derselben Fläche verbringt und Teils über viele Wochen die gleichen Pflanzen
vom Austrieb bis zur Samenbildung beobachtet. Doch die Vorfreude auf die ersten Sonnenstrahlen im März kommen bereits mit dem letzen Foto der Herbstzeitlosen.

In diesem Sinne: Geht mit offenen Augen durch die Natur, setzt Euch mal in die Hocke und nehmt einen anderen Blickwinkel, oft eröffnen sich so neue Welten.
Ich hoffe meine Mitnahme durch eine Saison auf der Heidefläche hat gefallen und jemanden angeregt das selbe zu tun.

P.S. ....
Wenn Euch beim Wandern und Spazieren gehen mal solche Typen vor die Füße kommen, keine Sorgen, denen geht es gut, Ich bin einer von Ihnen ;)